Das Oberlandesgericht Koblenz hat in einem aktuellen Urteil vom 24. April 2008 (5 U 1236/07) die bisherige Rechtsprechung zur Zurechnung von Folgeschäden bestätigt. Danach haftet der Erstschädiger auch für weitere, durch Dritte verursachte (Folge-) Schäden.
Im konkreten Fall hatte der Erstschädiger einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht. Die verletzte Person wurde daraufhin in ein Krankenhaus zur Behandlung eingeliefert. Hier erkannten die Ärzte nicht alle erlittenen Verletzungen, was dazu führte, dass die notwendige Heilbehandlung erst mit erheblicher Verzögerung eingeleitet wurde. Es ist ferner nicht auszuschließen, dass deshalb dauerhafte Schäden zurückbleiben werden.
Das OLG hat entschieden, dass der Unfallverursacher (bzw. sein Haftpflichtversicherer) neben den Ärzten auch für deren Fehler verantwortlich ist. Denn auch diese Schadensfolge sei letztlich auf den schuldhaft verursachten Verkehrsunfall zurückzuführen, da es ohne den Verkehrsunfall nicht zu der ärztlichen (Fehl-) Behandlung gekommen wäre.
Eine andere Beurteilung wäre nur dann angebracht gewesen, wenn sich der ärztliche Behandlungsfehler als ein grobes, schlechterdings nicht zu erwartendes Fehlverhalten dargestellt hätte, dass dem Erstschädiger nicht mehr zugerechnet werden könne. Dies war aber – konkret hatte der Arzt eine Röntgenaufnahme falsch gedeutet – nicht der Fall.
Anmerkung:
Die Entscheidung bestätigt eine nunmehr seit über 50 Jahren bekannte Rechtsprechung. Dennoch werden derartige Haftungszusammenhänge in der Praxis oftmals übersehen.
Hintergrund der Haftungszurechnung ist, dass es eben nicht so fernliegend ist, dass bei einer durch ein Fehlverhalten ausgelösten Folge (-behandlung) ein weiterer Schaden entsteht, den sich der Erstschädiger zurechnen lassen muss. Diese Zurechnung ist nicht nur auf die Fälle einer ärztlichen Fehlbehandlung beschränkt, gewinnt hier wegen der oftmals schwerwiegenden Folgen aber eine besondere Brisanz.
Die Haftungszurechnung scheidet dagegen in zwei Konstellationen aus. Zum einen, wenn der Folgeschaden auf einem Fehlverhalten beruht, welches als gröblichst falsch gewertet werden muss. Die Anforderungen hieran sind sehr hoch. Der aus der Rechtsprechung zur Arzthaftung bekannte „grobe Behandlungsfehler“ reicht hierfür in der Regel nicht aus. Es muss vielmehr ein Fehlverhalten an den Tag gelegt worden sein, das am obersten Rand der Fahrlässigkeit anzusiedeln ist.
Ein weiterer Fall, in welchem die Zurechnung zum Erstschädiger nicht erfolgt, ist der, bei dem das primäre Schadensereignis zwar den Folgefehler kausal bedingt hat, der Schutzzweck der verletzten Norm eine Zurechnung aber nicht gebietet. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Person bei einem Verkehrsunfall verletzt wird und anlässlich der Behandlung eine andere, mit dem Unfall nicht in Zusammenhang stehende Erkrankung entdeckt wird. Unterläuft den Ärzten dann bei der Behandlung dieser entdeckten Erkrankung ein Fehler, verwirklicht sich ein Risiko für das die Ärzte zwar haftbar gemacht werden können, nicht aber der Unfallverursacher.
Rechtsanwalt Alexander T. Schäfer
Medizinrecht & Schadensrecht | Frankfurt am Main