Archiv der Kategorie: Medizinrecht

Aufklärung muss rechtzeitig erfolgen

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 24.02.2009 (8 U 103/08) die geltende Rechtsprechung zur Rechtzeitigkeit der Aufklärung bei stationären Eingriffen bestätigt.

 

Geklagt hatte ein minderjähriges Kind, dessen Eltern erst am Vorabend vor der schweren Operation über die Risiken informiert worden waren. Dabei wurden sie schon nicht über die seltene, aber mögliche, schwere Komplikation einer Hirnblutung informiert. Zudem war die Aufklärung erst einen Tag vor dem Eingriff und nach der stationären Aufnahme im Krankenhaus zu spät. In dieser Situation – es hatten bereits alle wesentliche Voruntersuchungen für die Operation stattgefunden – waren die Eltern nicht mehr in der Lage, durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe ihre bzw. die Entscheidungsfreiheit und damit das Selbstbestimmungsrecht ihres Kindes in angemessener Weise auszuüben.

 

Das OLG hat damit nochmals die bereits geltende und auch höchstrichterlich als gefestigt anzusehende Rechtsprechung bestätigt. Danach muss ein Patient bzw. bei Kindern deren Eltern einem invasiven Eingriff in den Körper zustimmen.  Anderenfalls liegt eine rechtswidrige Körperverletzung vor. Damit die Einwilligung wirksam ist, muss es dem Patienten ermöglicht werden, seine Entscheidung für oder gegen den Eingriff in informierter Weise und eigenverantwortlich und selbstbestimmt treffen zu können. Dazu gehört, dass die Aufklärung über die Risiken bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt, in welchem sich der Patient noch nicht so auf die Operation eingestellt hat, dass eine Änderung seiner Entscheidung aufgrund der Umstände bereits erschwert wäre.

 

Die Entscheidung kann im Volltext unter http://www.olg-frankfurt.justiz.hessen.de abgerufen werden.

Dr. Alexander T. Schäfer www.atsrecht.de

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Neues Gesetz zur Patientenverfügung

Der Bundestag hat heute einem neuen Gesetz zur Regelung der Patientenverfügung zugestimmt. Nachdem verschiedene Entwürfe zur Diskussion standen, darunter auch der Verzicht auf jegliche gesetzliche Normierung, fand der Vorschlag, dem Patientenwillen absolute Bindungswirkung zuzusprechen, die meisten Befürworter. Damit müssen künftig Ärzte einer schriftlich festgehaltenen Patientenverfügung Folge leisten.

Schwieriger ist es dagegen, wenn eine solche Verfügung nicht vorliegt. Denn auch dann soll grundsätzlich dem mutmaßlichen Willen eines Patienten, der diesen nicht mehr äußern kann, nachgekommen werden. Sind sich dabei etwa Betreuer und Arzt nicht einig, muss das Vormundschaftsgericht entscheiden.

Dr. Alexander T. Schäfer www.atsrecht.de

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Schwerkranker erhält nicht zugelassenes Medikament

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat in einer Entscheidung vom 15.01.2009 (Az. L 1 KR 51/05) die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundessozialgerichts (BSG) bestätigt, wonach Schwerkranke auch mit nicht-zugelassenen Arzneimitteln behandelt werden können.

Das BVerfG begründet seine Rechtsprechung damit, dass es mit dem Schutz der Menschenwürde nicht vereinbar ist, wenn schwer oder sogar lebensbedrohlich Erkrankten Arzneimittel vorenthalten werden, nur weil diese nicht offiziell zugelassen sind. Nach dem BSG liegt dann eine „notstandsähnliche Situation vor. Voraussetzung ist allerdings, dass es keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten gibt und die Versorgung mit dem nicht zugelassenen Medikament die berechtigte Hoffnung zulässt, den Krankheitsverlauf damit zumindest mildern zu können.

Die Besonderheit im vom LSG entschiedenen Fall war, dass das Gericht diese Rechtsprechung auch auf Fälle übertragen hat, in denen das nicht zugelassene Medikament nicht die Krankheit selbst bekämpft, sondern gegen die schädlichen Nebenwirkungen anderer Medikamente, die zur Behandlung unerlässlich sind,eingesetzt werden kann.

Konkret erhielt ein HIV-Erkrankter Medikamente zur Behandlung der AIDS-Erkrankung. Diese führten als Nebenwirkung zu einer Fettverteilungsstörung, die ihrerseits schwere gesundheitliche Nebenwirkungen verursachte. Diese waren so schwer, dass sie unbedingt sofort behandelt werden mussten. Hierfür stand nur das nicht zugelassene Präparat „Serostim“ zur Verfügung. Als Folge musste die Krankenkasse des klagenden Patienten für die Kosten der Behandlung aufkommen.

Da das LSG den Begriff der „notstandsähnlichen Situation“ mit dieser Entscheidung weiterentwickelt hat und der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, wurde die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) zugelassen.

Alexander T. Schäfer www.atsrecht.de

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Übersicht über Versandapotheken im Internet

Das Deutsche Institut für Medizinische Information und Dokumentation (DIMDI) stellt auf seiner Internetseite www.dimdi.de eine Übersicht über alle Versandapotheken in Deutschland bereit.

Der Verbraucher kann damit kontrollieren, ob eine Versandapotheke die erforderliche behördliche Erlaubnis zum Versand von Medikamenten besitzt. Zudem kann nach verschiedenen Kriterien, etwa sortiert nach Orten, nach Apotheken gesucht werden.

Alexander T. Schäfer www.atsrecht.de

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Heilpraktiker muss zum Arztbesuch anhalten

In einer Entscheidung vom 02. Oktober 2008 hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim die Pflichten eines Heilpraktikers näher präzisiert. Danach muss ein Heilpraktiker seine Patienten mitunter zum Besuch eines „Schulmediziners“ anhalten. Verletzt er diese Pflicht, kann dies die Aufsichtsbehörden berechtigen, ihm die weitere Ausübung seiner Tätigkeit wegen fehlender Zuverlässigkeit zu untersagen.

Im konkreten Fall hatte ein Heilpraktiker eine Patientin behandelt, die ein 24 cm großes und blutendes Karzinom aufwies. Gleichwohl unterließ es der Heilpraktiker die Frau auf die Notwendigkeit einer Abklärung durch einen Arzt hinzuweisen und behandelte sie selbst weiter. Ferner stellte er offensichtliche Fehldiagnosen über die Art und die Ursache der Erkrankung. So bestritt er auf entsprechende Nachfragen insbesondere die Möglichkeit einer Krebserkrankung.

Das Gericht weist in dem Beschluss zunächst daraufhin, dass derjenige, der einen Heilpraktiker aufsucht, grundsätzlich eine andere Art der Behandlung wünscht, als er sie von einem in der Schulmedizin ausgebildeten Arzt erwarten würde. Trotzdem darf der Heilpraktiker deswegen nicht die Augen vor dem Erfordernis einer ärztlichen Behandlung verschließen. Der Heilpraktiker steht nach Ansicht der Richter einem Arzt nicht gleich, auch wenn er durch seine behördliche Erlaubnis eine besondere Heilkundekenntnis nachweisen kann.

Von einem Heilpraktiker kann deshalb erwartet werden, dass er sich der Gefahr bewusst ist, die dadurch entstehen kann, dass ein Patient eine gebotene ärztliche Behandlung nicht beziehungsweise nicht rechtzeitig in Anspruch nimmt.

Die Richter bestätigten deshalb den behördlichen Erlaubniswiderruf. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Heilpraktiker unverantwortlich gehandelt habe. Das Verkennen des großen Karzinoms weise auf einen offensichtlichen Mangel an einfachstem anatomisch-pathologischen Grundlagenwissen hin. Der Heilpraktiker hätte stattdessen die weitere Behandlung verweigern müssen, solange die Patientin nicht eine ärztliche Abklärung der sich aufdrängenden Diagnose einer bösartigen Veränderung vorgenommen habe. Hierzu hätte er sie gegebenenfalls auch drängen müssen. Dass er sich nicht gegen eine ärztliche Konsultation ausgesprochen hat, genügte hierfür nicht. Denn damit habe er seiner Patientin suggeriert, er könne die Erkrankung alleine adäquat behandeln.

Die Entscheidung kann im Volltext unter www.vghmannheim.de abgerufen werden.

Rechtsanwalt Alexander T. Schäfer www.atsrecht.de

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Arzneimittel-Automaten: Erlaubt und verboten!

Nachdem im August 2008 bereits der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Abgabe von Medikamenten über Automaten in einer Eilentscheidung (vorerst) verboten hatte (siehe hierzu die Meldung vom 12.09.2008 in dieser Rubrik), sind nunmehr zwei weitere, sich widersprechende Entscheidungen zu dieser Frage ergangen.

Mit Urteil vom 02.09.2008 (11 K 4331/07) hat zunächst das Verwaltungsgericht Karlsruhe  den Medikamentenverkauf mittels Automaten verboten (die Entscheidung kann im Volltext unter http://www.vgkarlsruhe.de abgerufen werden).

In diesem Fall konnte der Kunde sein Rezept über einen Scanner am Automaten einlesen lassen und erhielt das Medikament über einen Ausgabeschacht. Zuvor musste dieses von dem Apotheker freigegeben werden. Dieser stand mit dem Kunden mittels Videotelefon in Kontakt und konnte so auch beraten und weitere Informationen geben. Diese Form der Abgabe wurde allerdings vom zuständigen Regierungspräsidium untersagt. Die Klage des Apothekers blieb erfolglos.

Begründet wurde die Untersagung damit, dass nach den gültigen rechtlichen Vorschriften das Rezept dem Apotheker in Papierform vorgelegt werden müsse. Der Apotheker erhalte bei dem eingesetzten System dieses aber höchstens nachträglich. Damit sei es ihm nicht möglich – wie nach der Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) gefordert – bei Abgabe des Medikaments bestimmte Angaben auf dem Originalrezept anzubringen. Zudem könne er nicht zuverlässig überprüfen, ob es sich bei der Verordnung eventuell um eine Fälschung handele. Das Gericht vertrat zudem die Auffassung, dass auch die Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Medikamente unzulässig sei. Zwar käme hier grundsätzlich ein Verkauf über Automaten in Frage. Im konkreten Fall sei aber durch den Straßenlärm nicht gewährleistet, dass eine durchgehende Verständigung des Kunden mit dem Apotheker möglich sei.

Das Verwaltungsgerichts Mainz hat dagegen am 10.12.2008 (4 K 375/08.MZ) eben diese Art der Medikamentenabgabe für zulässig erklärt. Im Unterschied zu der Konstellation, über die das Verwaltungsgericht Karlsruhe zu befinden hatte, verfügte der Medikamentenautomat hier über einen Drucker, der es dem Apotheker ermöglichte, direkt auf dem Originalrezept die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zu vermerken.

Anders als das Verwaltungsgericht Karlsruhe sahen es die Mainzer Richter im Übrigen nicht als erforderlich an, dass der Apotheker die Verordnung auch körperlich in den Händen halte. Eventuelle Manipulationen ließen sich auch mit hinreichender Sicherheit über das Videotelefon erkennen. Wie auch beim Medikamentenversandhandel sei es nicht mehr erforderlich, dass dem Kunden die Arznei auch persönlich übergeben werde.
Die beiden Entscheidungen zeigen, welche Rechtsunsicherheit derzeit noch bei der Einführung neuer Vertriebs- und Abgabewege bestehen. Eine einheitliche Linie ist in der Rechtsprechung nicht zu erkennen, weshalb weitere Rechtsstreitigkeiten und Gerichtsentscheidungen vorprogrammiert sind. Eine endgültige Klärung wird wohl nur das Bundesverwaltungsgericht herbeiführen können. Gegebenenfalls wird auch der Gesetzgeber reagieren. Sollten die Gerichte mehrheitlich die Abgabe durch Automaten verbieten, erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften liberalisiert werden und die Abgabe über Automaten künftig ermöglicht wird.

Rechtsanwalt Alexander T. Schäfer www.atsrecht.de

Medizinrecht & Schadensrecht | Frankfurt am Main

Ärzte dürfen nicht über Dritte abrechnen

In einer Entscheidung vom 10. Dezember 2008 (B 6 KA 37/07 R) hat das Bundessozialgericht entschieden, dass Ärzte und Krankenhäuser zur Abrechnung ihrer Leistungen keine Dritten einschalten dürfen, sofern sie dabei Patientendaten übermitteln. Das Urteil betrifft nur die Abrechnung von Leistungen gegenüber gesetzlich Versicherten und gilt auch dann, wenn der Patient in die Weitergabe seiner Daten zuvor schriftlich eingewilligt hat.

Hintergrund der Entscheidung war, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die gesetzliche Krankenversicherung eine derartige Datenweitergabe nicht zulassen. Dies bedeutet, dass Ärzte bzw. Krankenhäuser bei gesetzlich Versicherten die Abrechnung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. den Krankenkassen nunmehr selbst und durch eigenes Personal vornehmen müssen. Das Gericht gestand  aber eine Übergangsfrist bis zum 30.06.2009 zu, in der die Abrechnung weiter über Dritte erfolgen darf.

Für Privatpatienten, bei denen die Abrechnung über Drittunternehmen oftmals üblich ist, ändert sich dadurch nichts. Insbesondere hat das Gericht keine generellen datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die Datenweitergabe, sofern der Patient zurvor eingewilligt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Bestimmungen ändern wird, um künftig auch bei gesetzlich versicherten Patienten die Abrechnung über fremde Abrechnungsstellen zu ermöglichen.

Rechtsanwalt Alexander T. Schäfer

Medizinrecht & Schadensrecht | Frankfurt am Main

Opferentschädigung nach Behandlungsfehler

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat in einem Urteil vom 21. Mai 2008 (L 10 VG 6/07) entschieden, dass auch Opfern von ärztlichen Behandlungsfehlern ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) zustehen kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die geschädigte Person vorsätzlich nicht über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt wurde. Es bestätigte damit eine Entscheidung der Vorinstanz.

Im vorliegenden Fall hatte eine Geschädigte gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Opferentschädigung geklagte, nachdem der sie operierende Arzt zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden war.

Hintergrund waren zwei Schönheitsoperationen, die der Mediziner bei der Klägerin vorgenommen hatte. Obwohl die Patientin ihre Krankengeschichte offen gelegt hatte, verschwieg ihr der Arzt, dass dadurch erhebliche Risiken von Komplikationen und Nebenwirkungen des beabsichtigten Eingriffs bestanden. Nach Durchführung der Operationen traten jeweils schwere Gesundheitsschäden bei der Klägerin auf.

Das Gericht sah dadurch einen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG gegeben. Da die Patientin bewusst nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden war, fehlte es an einer wirksamen Einwilligung zu den durchgeführten Eingriffen. Diese sein deshalb als rechtswidrige Körperverletzungen anzusehen. Ferner sei der Klägerin dadurch auch ein Schaden entstanden.

An dieser Wertung ändere sich auch dadurch nichts, dass der Arzt „nur“ im Hinblick auf die unterlassene Risikoaufklärung vorsätzlich gehandelt habe, der entstandene Schaden aber fahrlässig verursacht worden sei. Durch die fehlende Aufklärung stelle der gesamte Eingriff trotzdem eine (einfache) vorsätzliche und rechtswidrige Körperverletzung dar.

Da es sich zudem um eine kosmetische und damit medizinisch nicht indizierte Operation gehandelt hatte, bestand auch keine „Heilungsabsicht“ des Arztes, die der Annahme eines tätlichen Angriffs eventuell hätte entgegen stehen können.

Das LSG sah ferner keinen Grund, den ärztlichen Eingriff generell vom Anwendungsbereich des OEG auszunehmen. Zwar handele es sich hierbei nicht um den klassischen Fall von Gewaltkriminalität. Die Richter sahen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei Verabschiedung des Gesetzes eine derartige Begrenzung gewollt hätte.

Die Entscheidung kann im Volltext unter http://www.sozialgerichtsbarkeit.de abgerufen werden.

Rechtsanwalt Alexander T. Schäfer

Medizinrecht & Schadensrecht | Frankfurt am Main

Unfallverursacher haftet auch für Behandlungsfehler

Das Oberlandesgericht Koblenz hat in einem aktuellen Urteil vom 24. April 2008 (5 U 1236/07) die bisherige Rechtsprechung zur Zurechnung von Folgeschäden bestätigt. Danach haftet der Erstschädiger auch für weitere, durch Dritte verursachte (Folge-) Schäden.

Im konkreten Fall hatte der Erstschädiger einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht. Die verletzte Person wurde daraufhin in ein Krankenhaus zur Behandlung eingeliefert. Hier erkannten die Ärzte nicht alle erlittenen Verletzungen, was dazu führte, dass die notwendige Heilbehandlung erst mit erheblicher Verzögerung eingeleitet wurde. Es ist ferner nicht auszuschließen, dass deshalb dauerhafte Schäden zurückbleiben werden.

Das OLG hat entschieden, dass der Unfallverursacher (bzw. sein Haftpflichtversicherer) neben den Ärzten auch für deren Fehler verantwortlich ist. Denn auch diese Schadensfolge sei letztlich auf den schuldhaft verursachten Verkehrsunfall zurückzuführen, da es ohne den Verkehrsunfall nicht zu der ärztlichen (Fehl-) Behandlung gekommen wäre.

Eine andere Beurteilung wäre nur dann angebracht gewesen, wenn sich der ärztliche Behandlungsfehler als ein grobes, schlechterdings nicht zu erwartendes Fehlverhalten dargestellt hätte, dass dem Erstschädiger nicht mehr zugerechnet werden könne. Dies war aber – konkret hatte der Arzt eine Röntgenaufnahme falsch gedeutet – nicht der Fall.

Anmerkung:

Die Entscheidung bestätigt eine nunmehr seit über 50 Jahren bekannte Rechtsprechung. Dennoch werden derartige Haftungszusammenhänge in der Praxis oftmals übersehen.

Hintergrund der Haftungszurechnung ist, dass es eben nicht so fernliegend ist, dass bei einer durch ein Fehlverhalten ausgelösten Folge (-behandlung) ein weiterer Schaden entsteht, den sich der Erstschädiger zurechnen lassen muss. Diese Zurechnung ist nicht nur auf die Fälle einer ärztlichen Fehlbehandlung beschränkt, gewinnt hier wegen der oftmals schwerwiegenden Folgen aber eine besondere Brisanz.

Die Haftungszurechnung scheidet dagegen in zwei Konstellationen aus. Zum einen, wenn der Folgeschaden auf einem Fehlverhalten beruht, welches als gröblichst falsch gewertet werden muss. Die Anforderungen hieran sind sehr hoch. Der aus der Rechtsprechung zur Arzthaftung bekannte „grobe Behandlungsfehler“ reicht hierfür in der Regel nicht aus. Es muss vielmehr ein Fehlverhalten an den Tag gelegt worden sein, das am obersten Rand der Fahrlässigkeit anzusiedeln ist.

Ein weiterer Fall, in welchem die Zurechnung zum Erstschädiger nicht erfolgt, ist der, bei dem das primäre Schadensereignis zwar den Folgefehler kausal bedingt hat, der Schutzzweck der verletzten Norm eine Zurechnung aber nicht gebietet. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Person bei einem Verkehrsunfall verletzt wird und anlässlich der Behandlung eine andere, mit dem Unfall nicht in Zusammenhang stehende Erkrankung entdeckt wird. Unterläuft den Ärzten dann bei der Behandlung dieser entdeckten Erkrankung ein Fehler, verwirklicht sich ein Risiko für das die Ärzte zwar haftbar gemacht werden können, nicht aber der Unfallverursacher.

Rechtsanwalt Alexander T. Schäfer

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PKV muss LASIK bezahlen

Das Landgericht Göttingen hat in einem Beschluss vom 08.07.2008 (2 S 4 /08) ein Urteil des Amtsgerichts Göttingen bestätigt. In diesem war eine privater Krankenversicherer zur Erstattung der Kosten für eine Augen-Laser-Behandlung (hier LASIK) verurteilt worden.

In dem Rechtsstreit ging es um eine Versicherte, die ihre Fehlsichtigkeit durch eine LASIK (Laser-in-situ-Keratomieleusis) beheben lassen hatte. Die Krankenversicherungsgesellschaft verweigerte die Übernahme der Kosten der Behandlung. Sie argumentierte, es handele sich dabei um einen rein kosmetischen Eingriff. Als Alternativen hätte eine Korrektur mittels Brille oder Kontaktlinsen erfolgen können. Außerdem sei die Laser-Operation deutlich risikoreicher gewesen.

Das Gericht hat diese Argumente nicht gelten lassen. Es stellte zunächst fest, dass die Fehlsichtigkeit als behandlungsbedürftige Erkrankung anzusehen sei. Die LASIK sei zudem grundsätzlich geeignet, diese Erkrankung zu beheben oder zu lindern. Damit sei die LASIK eine Heilbehandlung.

Zudem sei sie bereits seit vielen Jahren auch in der Schulmedizin anerkannt. Der medizinische Erfolg müsse im Einzelfall nicht sicher vorhersehbar sein. Es genüge, wenn es vertretbar erscheine, die Behandlung als medizinisch notwendig anzusehen. Eine Rangfolge innerhalb der möglichen Heilbehandlungen bestünde nicht. Jedenfalls sei derartiges nicht im Versicherungsvertrag vereinbart.

Die Entscheidung stärkt die Befürworter der generellen Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Augen-Laser-OP. Leider ist die Rechtsprechung hierzu immer noch nicht einheitlich. Ober- oder höchstrichterliche Entscheidungen liegen noch nicht vor. Es kommt damit auch immer auf den Einzelfall und damit die gutachterliche Bewertung der medizinischen Notwendigkeit an. Da jedoch der Bundesgerichtshof in einem früheren Urteil entschieden hat, dass der privat versicherte Patient sich nicht auf die kostengünstigste Behandlungsmethode verweisen lassen muss, sind die Chancen zur Erstattung in der PKV mit diesem Beschluss des Landgerichts Göttingen generell gestiegen.

Rechtsanwalt Alexander T. Schäfer

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